Jeder Cellist kann unter Anleitung lernen an der Kontaktstelle Gefühle, auch die, deren er sich selber bisher gar nicht bewusst war, darzustellen. Ist er dessen fähig, so kann er diese Gefühle nach belieben intensivieren oder reduzieren und zudem aus einer schützenden Distanz entscheiden, ob er sich auf einlassen möchte oder lieber nicht. Dieses Fähigkeit des Darstellens bedeutet, dass man als Spieler mit seiner Musik nicht immer zu 100% emotional mitgehen muss, um Gefühle zu vermitteln. Wir lernen Gefühle in Klang wandeln, -Handwerk - und durch die dadurch entstehende Distanz behalten wir den Überblick über emotionale und klangliche Zusammenhänge im Werk. Wir können fortan nach Belieben die emotionalen Bögen spannen. Das erweitert das emotionale Spektrum erheblich, man bleibt nicht mehr im Kleinen stecken, sondern formt das große Ganze.
Das emotionale Spektrum jeden Spielers wächst enorm und gleichzeitig gewinnt seine Persönlichkeit an Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein.
Lernen wir respektvoll an die Kontaktstelle zu gehen. Eigentlich findet hier eine Begegnung vergleichbar mit einem lebendigen Wesen statt, eine Begegnung wie zum eigenen Spiegelbild. Obwohl die Kontaktstelle aus Saiten, Haaren und Holz besteht, ist sie aufgrund der Elastizität der Bogenstange und der Saiten lebendig. Der Bogenarm des Spielers überträgt die eigene Persönlichkeit.
Probieren wir vorsichtig, suchend die Kontaktstelle so zu bedienen, wie wir dem Gefühle entsprechen auch einem lebendigen Wesen gegenüber wären. Dann beginnt das Cello so zu klingen, wie man es sich wünscht. Je nach Situation gestalten wir exakt und bewusst, einfühlsam
- nicht schüchtern - mit Schub und Zug, dem richtigem Strich-Winkel, mit Kraft und der Menge an Haaren. Das Cello wird uns antworten. Der Klang spiegelt uns immer in unserem Umgang mit dem Instrument, in unserer Sensibilität wider.
- Das Cello klingt immer so wie wir es behandeln.
und !! - So wie es kling, so behandeln wir es auch.
Es lohnt sich über einen Vergleich mit dem menschlichen Stimmgebungsprozess nachzudenken. Die „Stütze“ beim Sänger oder Bläser entspricht dem Abstützen des Arms auf der Bogenstange. Die Luft beim Singen entspricht der Bogenfahrt. Vokale können wir genauso an der Kontaktstelle formen wie auch harte und weiche Konsonanten. Es gibt sehr viele Ähnlichkeiten mit der menschlichen Stimgebung, welche uns in dieser Auseinandersetzung die Kontaktstelle sehr nahe bringen, sie fast menschlich macht. Das Singen mit dem Bogen wird dem Singen mit der Stimme fast identisch.
Am Cello sind wir Akteure und Zuschauer zugleich. Wir erfahren hier dieses so wichtige Zusammenspiel der eigenen Supervision und dem Handeln selbst.
Mit einer solchen Erfahrung erleben wir den Transfer in unser alltägliches Leben. Wir begehen uns beim Cellospielen quasi selbst. Wir finden uns in der Kontaktstelle wieder und sehen uns gleichzeitig uns von außen. Wir können uns selbst wie einen dritte Person beurteilen.
In Rollen schlüpfen, Gefühle testen, mit Gefühlen spielen, kreativ mit Klangfarben malen, nachspüren ob und warum es uns was gefällt und frei entscheiden es anzunehmen oder abzulehnen. Das Cello gibt uns viele Möglichkeiten.
Einigen Menschen ist eine solch intensive Begegnung unangenehm, es erscheint ihnen als zu viel. Doch hat man sich mal zum ersten Schritt überwunden, erlebt man die Freude und die Sicht auf einen selbst im Spiel, wird eine große Bereicherung.